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Wo man singt ...

Gedanken von Rolf Schneider, Initiator und erster Vorsitzender des Musikbundes Chemnitz e.V.

Wenn man vom Singen in Sachsen spricht, denkt man an den Thomanerchor in Leipzig oder an den Dresdner Kreuzchor oder auch die dortigen Kapellknaben.

Und in Chemnitz? Eine liebe, typische Stadt der rauchenden Schornsteine ohne größere kulturelle Vergangenheit. Aber der Schein trügt. Was das Laiensingen anbetrifft, so nahm diese Stadt eine führende Position in Deutschland ein. Bereits 1848 wurde im "BELEHRUNGS- UND UNTERHALTUNGSVEREIN FÜR ARBEITER" in Chemnitz eine GESANGSSCHULE eingerichtet, nachdem sich um 1846 aus Fabrikschlossern ein erster Chemnitzer Arbeiterchor gebildet hatte, der unter der Leitung eines Schlossers stand.

Im Chemnitzer Gebiet zählte man 1909 über 100 Chorvereine mit ca. 3500 Sängerinnen und Sängern. Die Dirigenten waren überwiegend Fabrikarbeiter, Handwerker, Beamte. Ein gutes Drittel waren aber Musiker, Kapellmeister oder Musikdirektoren. Die künstlerische Qualität war sicherlich sehr unterschiedlich, aber allen Chören werden in Chroniken und Berichten im allgemeinen beachtenswerte künstlerische Leistungen bestätigt.

Als nach 1945 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone auf Befehl jegliches Vereinsleben unterbunden wurde, nahm zunächst die "VOLKSBÜHNE" und später die gesellschaftlichen Kräfte (Gewerkschaft, Organisationen etc.) sich der Chöre an. Neue Chöre entstanden als Betriebschöre (Florian-Geyer-Ensemble, Fritz-Heckert-Ensemble) oder als Schulchöre (Dr.-Theodor-Neubauer-EOS, Makarenko-Grundschule) und führten somit eine Traditionslinie fort.

Die Kreisarbeitsgemeinschaft Chor veranstaltete jährlich unter der rührigen organisatorischen Leitung von Walter Kühn im Opernhaus Chemnitz ein "Sonntag-Vormittag-Singen", dass auf eine große Publikumsresonanz stieß und bis zu viermal hintereinander wiederholt werden musste.

Mit dem Tod von Walter Kühn kam auch das Ende dieser schönen und für das Kulturleben unserer Stadt so wichtigen Veranstaltung. Mit den Verantwortlichen für das kulturelle Leben in unserer Stadt wurde 1982 über Möglichkeiten zum künstlerischen Betätigungsfeld beraten und dabei u.a. der Vorschlag von Rolf Schneider aufgegriffen, sich auf die große Sängertradition unserer Stadt zu besinnen. Unter Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters und mit der tatkräftigen Hilfe des Stadtrates für Kultur fand 1983 wieder ein Sängerfest statt, das seit dieser Zeit jedes Jahr durchgeführt wurde.

Unter dem Namen "Arbeitersängerfest" zog es viele Gäste aus nah und fern an, und 1990 nahmen erstmals Chöre aus Finnland, Österreich und der BRD teil. Allerdings mussten sich auf Wunsch des "Runden Tisches" die Veranstalter auf den Kompromiss einlassen, das Arbeitersängerfest als Sängerfest zu propagieren und durchzuführen. Am Anliegen wurden keine Abstriche verlangt.

Vom Kulturamt der Stadt Chemnitz vorbildlich unterstützt, wurde am 17. Januar 1992 mit der Errichtung einer Satzung der MUSIKBUND CHEMNITZ E.V. ins Leben gerufen.

Ziel war es, den bestehenden Chören, Ensembles und Musikgruppen bei der Herausbildung eines Vereinslebens behilflich zu sein. Mit der Umwandlung der Wirtschaft wurde die kulturelle Leistungsbereitschaft der Menschen in unserer Stadt vor neue Aufgaben gestellt. Kaum einer wusste, wie man einen Verein führt. Und vor allem, wer sollte und wollte es machen?

Gemeinsam haben wir den schweren Neuanfang gemeistert, sind aus den "Kinderschuhen" heraus, haben uns den Platz im Kulturleben unserer Stadt erhalten und sind für viele Konzertbesucher "eine feste Größe", auf die sie jedes Jahr hoffen.

Rolf Schneider (anlässlich des fünfjährigen Bestehens des Musikbundes)